„Unersättlicher Appetit auf schnellere Netze“

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Don Neville Foto: International Wire & Machinery Association (IWMA)
Don Neville Foto: International Wire & Machinery Association (IWMA)

Im Interview: Don Neville, Vorsitzender der IWMA

Die Aussichten sind gut – und sie könnten ohne aktuelle Probleme sogar noch besser sein. Wind- und Solarparks sowie die Energieverteilung erfordern enorme Mengen an Drähten und Kabeln. Hinzu kommt die Verkabelung der Elektromotoren in Fahrzeugen. Die stark steigende Nachfrage nach Glasfaserkabeln forciert den Bedarf nochmals. „Für den Rest des Jahrzehnts wird ein jährliches Gesamtwachstum von 5,5 bis 6,5 Prozent prognostiziert“, ist Don Neville, Vorsitzender der International Wire & Machinery Association (IWMA), im Gespräch mit den wire & Tube NEWS aus gutem Grund optimistisch.

wire & Tube NEWS: Wie geht es der Draht- und Maschinenindustrie derzeit wirtschaftlich?

Don Neville: Große Infrastrukturprojekte schreiten voran, es gibt einen massiven Wechsel zu umweltfreundlicherer Energie und wir haben einen globalen Wandel im Transportwesen und in der Telekommunikation. Und all das erfordert große Mengen an neuen Kabeln und Leitungen. Dies scheint einige der Probleme auszugleichen, die sich aus der Rohstoffknappheit und den Folgen der großen Pandemie ergeben haben. Für den Rest des Jahrzehnts wird ein jährliches Gesamtwachstum von 5,5 bis 6,5 Prozent prognostiziert. Ohne die aktuellen Probleme wäre es vielleicht größer ausgefallen, aber es wird immer noch deutlich zunehmen. In gewisser Weise unterstreicht dies die Vielfalt und Anpassungsfähigkeit innerhalb der Branche – und auch, dass Kabel und Leitungen nicht so bald ersetzt werden.

wire & Tube NEWS: Welchen Einfluss hat der Krieg in der Ukraine auf Ihre Branche?

Don Neville: Es ist noch nicht abzusehen, welche direkten und indirekten Auswirkungen dieser schreckliche Konflikt haben wird. Vielleicht betrifft er nicht speziell unsere Branche, aber die Branche wird von der Reaktion der Welt auf das russische Vorgehen betroffen sein.

Ich kenne zum Beispiel Mitgliedsunternehmen, die über Jahre hinweg Geschäfte in Russland aufgebaut haben und nun einen erheblichen Teil ihres Jahresumsatzes mit dem Verkauf an dortige Händler für den russischen Verbrauch erzielen. Gegenwärtig sehen sich diese Unternehmen in der Regel einer starken Nachfrage nach Produkten von ihren Vertriebshändlern gegenüber, die sie jedoch in absehbarer Zeit oder aufgrund der Sanktionen nicht befriedigen können. Die Händler können ihre beträchtlichen Investitionen in ihr Geschäft möglicherweise nicht zurückgewinnen, und auch ihre Lieferanten könnten große Probleme bekommen. Wenn es zum Beispiel möglich ist, Produkte nach Russland zu schicken, werden russische Unternehmen dann in der Lage sein, sie über internationale Grenzen hinweg zu bezahlen? Es ist noch ziemlich früh, wir werden erst in ein paar Monaten wissen, wie sich alles entwickeln wird. Es geht nicht um den Krieg an sich, sondern um die wirtschaftlichen Folgen.

wire & Tube NEWS: Wie sehen Sie die Entwicklung auf dem Markt für Glasfaserkabel? Eine große Chance?

Don Neville: Glasfaserkabel gibt es schon seit Jahrzehnten und sie sind fest etabliert. Die Möglichkeiten des Marktes werden nur durch unseren Erfindungsreichtum und die Anwendungen,

die wir dafür entwickeln, begrenzt. Gegenwärtig wächst die Glasfaserindustrie dank des unersättlichen Appetits der Welt auf größere und schnellere Netze sehr schnell.

Glasfaseranwendungen werden nur noch zunehmen, wir erleben, was schon vor Jahrzehnten vorausgesagt wurde. Das Tolle daran ist, dass sich Glasfaserkabel mit Kupfer- und Aluminiumkabeln ergänzen. Normalerweise ist es nicht das eine oder das andere, sondern beides. Metallkabel eignen sich hervorragend für die Stromübertragung, Glasfaserkabel für die Datenübertragung. Es werden immer mehr Glasfasern für Daten und Kommunikation eingesetzt, was von Anfang an erwartet wurde.

wire & Tube NEWS: Welche Erwartungen haben Sie im Hinblick auf den wachsenden Markt für Elektromobilität?

Don Neville: Dass die Elektromobilität einer der großen Wachstumsbereiche des nächsten Jahrzehnts sein wird, ist schon jetzt absehbar; es wird massiv in diesen Sektor investiert, da die Welt endlich beginnt, sich von Öl und Gas zu verabschieden. Damit einher geht eine neue Konzentration auf Energiequellen. Die Wind- und Solarparks sowie die Energieverteilung erfordern enorme Mengen an Drähten und Kabeln, zusätzlich zu den Anforderungen an die Verkabelung der großen neuen Elektromotoren in Autos und Nutzfahrzeugen. Wenn man Energie transportiert, dann nur mit leitenden Materialien – Kupfer, Aluminium und deren Legierungen. Energie bewegt sich noch nicht durch Glasfaserkabel. Hier eröffnet sich ein enorm breites Feld für leitfähige Kabel.

wire & Tube NEWS: Warum ist die Teilnahme an der wire & Tube 2022 für Sie als Verband und die Unternehmen der Branche wichtig?

Don Neville: Düsseldorf ist die wichtigste Veranstaltung, weil die Menschen aus der ganzen Welt kommen. Hier kann man sicher sein, alles zu sehen, was es zu sehen gibt. Die wire Düsseldorf gibt uns als internationalem Verband die Möglichkeit, mit unseren Mitgliedern aus der ganzen Welt zusammenzutreffen und ihre Interessen und Anliegen zu erfassen.

Düsseldorf ist eine großartige Veranstaltung, weil sie sich im Laufe der Jahre zu der Messe entwickelt hat, die jeder besuchen möchte – und deshalb ist es die Messe, auf der jeder seine neuesten Ideen und Lösungen vorstellt. Sie können vielleicht ein paar dieser Informationen sammeln, indem Sie wochenlang auf den Websites der Hersteller stöbern, aber auf der wire Düsseldorf können Sie alles sehen, Fragen stellen, Bestellungen aufgeben und besser als irgendwo sonst Geschäfte machen.

Michael Vehreschild