Treiber der Digitalisierung

Im Interview: Dr. Uwe-Peter Weigmann und Ralf Kappert, Präsidenten von VDKM und IWCEA

Indem die Draht- und Kabelindustrie selbst energieeffiziente Maschinen entwickelt und zugleich für ihre eigene Fertigung moderne, Ressourcen schonende, nachhaltige Maschinen einsetzt, trägt sie zur Energieeinsparung und damit zum Klimaschutz bei. Eine klassische Win-win-Situation. Allerdings ist der Krieg in der Ukraine „eine weitere Unsicherheit in der ohnehin angespannten aktuellen Lage“, erklären die Präsidenten des VDKM und IWCEA, Dr. – Ing. Uwe-Peter Weigmann und Dipl. – Ing. Ralf Kappertz.

wire & Tube NEWS: Wie geht es den Herstellern von Kabel- / Drahtzieh- und Drahtverarbeitungsmaschinen wirtschaftlich?

Vor Beginn der weltweiten Pandemie im Jahr 2020 konnte die Draht- und Kabelindustrie auf eine  überwiegend gute Geschäftsentwicklung zurückblicken; nur ein Teil der Branche war von der Transformation in der Automobilindustrie betroffen. Bereits Ende 2020 war eine langsame Erholung von der Pandemie zu sehen, die sich dann 2021 und auch in den ersten Monaten 2022 fortsetzte. Kaum eine Branche im industriellen Umfeld ist so rasant gewachsen wie unsere.

Für das Jahr 2022 zeichnet sich eine Markterholung verstärkt auch durch Nachholeffekte ab. Allerdings sind in der Pandemie bekannte Risikofaktoren aufgetreten, wie Logistikprobleme im Warenverkehr durch regionale Lockdowns, mit gravierenden Folgen zum Beispiel für die Containerschifffahrt, die sich erst mittelfristig entspannen werden. Hinzu kommen Engpässe auf den Beschaffungsmärkten und unterbrochene Lieferketten für bestimmte Warengruppen mit entsprechenden Lieferzeitverzögerungen für zum Beispiel Elektronikteile, die Teile des Absatzmarktes, auch in der Automobilzulieferindustrie, betroffen haben. Die mit der Knappheit verbundenen Erhöhungen der Einstandspreise belasten die Hersteller von Kabel- / Drahtzieh- und Drahtverarbeitungsmaschinen, die diesen Kostendruck an den Markt weitergeben müssen.

Welchen Einfluss des Krieges in der Ukraine auf Ihre Verbandsmitglieder erwarten Sie für die zweite Jahreshälfte?

Erlauben Sie uns zuerst die Bemerkung, dass dieser schlimme Krieg und das damit verbundene Leid so vieler Menschen uns fassungslos machen, unser tiefes Mitgefühl und Anteilnahme gehört den Opfern, Familien und deren Angehörigen.

Natürlich ist dies eine weitere Unsicherheit in der ohnehin angespannten aktuellen Lage. Noch ist nicht absehbar wie sich der Krieg in der Ukraine auf die Markterholung final auswirkt. Klar ist schon jetzt, dass die Verknappung von Rohstoffen angefangen von Energieträgern und Metallen, aber auch Nahrungsmitteln massive Folgen für die Preisentwicklung hat und einer der Treiber für die Inflation ist.

Diese Verknappung kann im schlimmsten Fall zu Stagflation, also einer Kombination aus Stagnation und Inflation führen, wie wir es zuletzt während der Ölkrise in den siebziger Jahren im vergangenen Jahrhundert gesehen haben. 

Durch diese geopolitisch neue Lage werden nicht nur wichtige Absatzmärkte in Frage gestellt, sondern auch die Lieferfähigkeit. Denken Sie nur an die Kabelbäume, die in der Ukraine hergestellt werden und in Autos, Lastwagen, Flugzeugen und Zügen verbaut werden. Unabhängig von industriepolitischen Interessen, bedenken Sie bitte, dass die Ukraine die Kornkammer Europas und damit einer der wichtigsten Lebensmittellieferanten auch für ärmere Länder weltweit ist.

Es ist immer wieder mit neuen Unwägbarkeiten zu rechnen. Wir befinden uns in der größten Ausnahmesituation seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs!

Wie gut sind die Hersteller von Kabel- / Drahtzieh- und Drahtverarbeitungsmaschinen strukturell auf solche Krisen eingestellt?

Es liegt in der Natur der Sache, dass nicht vorhersehbare Ereignisse wie die Pandemie und leider auch der Krieg in der Ukraine, nicht vorab kalkulierbar sind. Unternehmen planen ja nicht in einem Modus, dass jederzeit eine globale Pandemie ausbrechen kann oder dass ein Krieg im Herzen Europas zu erwarten ist. Die weltweit zunehmenden Spannungen und die Gefahr eines „déja vu“ mit Rückfall in Zeiten des kalten Krieges sind jedenfalls nicht mehr gänzlich von der Hand zu weisen. Dies träfe insbesondere die deutsche Wirtschaft und damit auch unsere Verbandsmitglieder, aufgrund unserer globalen Ausrichtung und Vernetzung, mit am härtesten. In dieser Ausnahmesituation ist die Hilfsbereitschaft, Flexibilität, Reaktions- und Improvisationsfähigkeit aller, auch unserer Mitgliedsunternehmen, gefragt.

Wie schlägt sich die zunehmende Digitalisierung und Industrie bei den Draht- und Kabelherstellern nieder? Welche neuen Perspektiven tun sich auf?

Unsere Branche versteht sich seit Jahren als ein Treiber der Digitalisierung und die Hersteller investieren einen hohen Prozentsatz ihres Entwicklungsbudgets in die Transformation der Unternehmen und der Produkte hin zur „vierten industriellen Revolution“, Schlagwort „Industrie 4.0“. Maschinen verfügen heute über zahlreiche Schnittstellen und sind im Produktionsverbund vernetzt, um den Grad der Automatisierung zu erhöhen. Cloud-Technologien werden zunehmend genutzt und künstliche Intelligenz hält Einzug. Begriffe wie „Smart Manufacturing“, „Smart Factories“, „Lights Out Manufacturing“ und „Industrial Internet of Things“ beschäftigen die Ingenieure und Produktionsfachleute der Draht- und Kabelhersteller und ihrer Zulieferer. Das Angebot an digitalen Services der Maschinen- und Anlagelieferanten wird kontinuierlich ausgebaut und schafft für unsere Kunden Mehrwerte gerade durch neue Softwarelösungen.

Perspektiven ergeben sich beispielsweise durch intelligente Instandhaltung mit intuitiver herstellerunabhängiger Software für Maschinen und Anlagen. Der Zugriff ist jederzeit per Web und mobilen Apps durch Einsatz von Cloud-Technologie möglich. Ein offenes System zur vollständigen Vernetzung von Maschinen ist bei vielen Verbandsmitgliedern bereits heute Realität und bietet den Endkunden neben vielfältigen technischen Möglichkeiten handfeste wirtschaftliche Vorteile.

Welchen Beitrag können Ihre Verbandsmitglieder zu Nachhaltigkeit und Effizienz leisten?

Natürlich werden auch in unserer Branche die üblichen Maßnahmen umgesetzt, zum Beispiel zur Energieeinsparung, die nicht nur nachhaltig und effizient sind, sondern auch in der aktuellen Situation die hohen Kosten für unsere Mitglieder im Energiemanagement reduzieren können. Stichwörter können hier sein: Blockheizkraftwerke, Photovoltaik, LED Beleuchtung und so weiter…

Durch Re-Engineering der Prozesse können diese nicht nur effizienter und damit kostengünstiger gestaltet werden, sondern sind auch eine wichtige Grundlage für die Nachhaltigkeit, auch im Hinblick auf Ressourcen-Schonung so etwa bei der Abfall-Reduzierung oder gar Abfall-Vermeidung.

Aber auch beim Ausbau der regenerativen Energiegewinnung und dem damit verbundenen Energietransport, Stichwort Gleichstromnetze, wirken unsere Verbandsmitglieder aktiv mit.

Darüber hinaus, auch durch die Teilhabe an der Transformation im Automobilantrieb leisten unsere Mitglieder einen nicht unerheblichen Anteil an der Nachhaltigkeit; die Branche ist ein wichtiger Bestandteil der Elektromobilität!

Es gilt auch für unsere Mitglieder, die neuartigen Technologietrends (E-Antrieb, Brennstoffzelle, …) in die jeweiligen Unternehmen zu integrieren bzw. neue Produkte, Prozesse und Dienstleistungen daraus zu entwickeln. Es werden unterschiedlichste Maßnahmen angestoßen, zur Nachhaltigkeit, also zum Schutz der Erde und zur Wahrung der Interessen zukünftiger Generationen.

Indem unsere Verbandsmitglieder selbst energieeffiziente Maschinen entwickeln und zugleich für ihre eigene Fertigung moderne, Ressourcen schonende, nachhaltige Maschinen einsetzen, tragen sie zur Energieeinsparung und damit zum Klimaschutz bei.

Die weltpolitischen Herausforderungen, Stichwort Klimawandel und Reduzierung des CO₂-Ausstoßes, stellen uns alle, schon auf Grund der technologischen Veränderungen, vor enorme Herausforderungen. Die Technologieführerschaft Deutschlands in vielen Branchen des Maschinenbaus bietet hier natürlich auch Chancen, dies gilt auch für unsere Mitglieder.

Im Übrigen dient Nachhaltigkeit im Maschinenbau nicht nur der Umwelt, sondern senkt auch die Betriebskosten der Unternehmen!

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